Sind Reifen nur rund und schwarz?

Hier können allgemeine „Probleme“, wie z.B. Bremsenquietschen besprochen werden.

Moderator: Aston Martin

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Superman
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Sind Reifen nur rund und schwarz?

Beitrag von Superman »

Hallo zusammen,

hier kommen wir zu einem Thema, dass von vielen Autofahrern unterschätzt wird. Wie schon bei den Bremsbelägen erwähnt, so spielt die Auslegung des einzelnen Reifens eine wichtige Rolle; d.h. soll es ein Allrounder sein, ein sportlicher oder Semirennreifen? Soll er gute Bremseigenschaften, gutes Kurvenverhalten oder hervorragende Nässeeigenschaften besitzen? Ihr seht es gibt viele Möglichkeiten einen Reifen zu konstruieren und genauso viele Möglichkeiten das Fahrverhalten eines Autos zu beeinflussen.

Aus den aufgeführten Eigenschaften, welche definitiv nicht vollständig sind, ergibt sich, dass ein Reifen nur einen Kompromiss darstellen kann. Das Gleiche gilt für das Auto als Ganzes.

Gleichzeitig kann man den Reifen nicht als separates Teil betrachten; er ist Teil des Fahrwerks wie Feder und Dämpfer, wie Querlenker und Buchsen.

Es bedarf ca. 12 Monate um ein Fahrzeug fahrwerksseitig abzustimmen, da viele Einzelkomponenten zu einem homogenen Ganzen geformt werden müssen. Auch auf die Funktion von Assistenzsystemen wie ABS und ESP nimmt ein Reifen Einfluss.

Wenn ich nun nur eine Komponente, aus welchen Gründen auch immer, verändere, kann dies mehr negative als positive Ergebnisse zur Folge haben.

Jeder Hersteller versucht für seine Marke typische Fahrzeuge zu entwickeln, komfortable, sportliche, elegante oder extravagante. Hieraus ergibt sich, dass die Abstimmung des Fahrwerks und aller damit zusammenhängenden Komponenten ganz bestimmte Aufgaben erfüllen muss. Je extremer die Entwicklung in eine ganz bestimmte Richtung geht, je extremer können sich Veränderungen einzelner Bauteile auswirken.

Da Aston Martin seine Fahrwerke sehr sportlich, aber so komfortabel wie möglich abstimmt, ergibt sich schon aus dieser Beschreibung, dass die Serienreifen sehr spezielle Anforderungen erfüllen müssen. Ein weiteres Indiz hierfür ergibt sich aus der speziellen Aston Martin Kennung auf der Seitenwand, z.B. AM9 beim V8 Vantage und DB9 wenn es sich um Bridgestone Reifen handelt. Dies bedeutet, dass der Reifen gegenüber der Standardversion des Herstellers, den besonderen Bedürfnissen Aston Martins angepasst wurde. Dies kann die Gummimischung aber auch die Karkasse betreffen; nicht jedoch die Optik, sprich das Profil. Somit ist es wichtig bei der Erneuerung auf diese spezielle Kennung zu achten. Ist diese nicht vorhanden, mag der montierte Reifen vielleicht preiswerter sein, entspricht aber nicht den Anforderungen.

Aufgrund des beschriebenen Aufwands könnt Ihr euch vielleicht vorstellen, dass die Montage von Reifen anderer Hersteller Veränderungen am Fahrzeug bewirken können, welche nicht gewünscht sind. Selbst die von Aston Martin angebotene Alternative, der Pirelli P-Zero Corsa verbessert zwar das Trockenhandling in Richtung Sportlichkeit, bietet aber bei Nässe bei weitem schlechtere Eigenschaften als der Bridgestone. Bestes Beispiel der Reifenhinweis aus der V12 Vantage Bedienungsanleitung bezüglich des serienmäßig montierten Pirelli Corsa.
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Montiert man nun noch breitere Felgen und Reifen, womöglich in Verbindung mit Spurverbreiterungen, hat das Ergebnis meist nichts mehr mit dem zu tun, was der Hersteller anstrebte. Kein Wunder wenn sich unter diesen Umständen kein Hersteller mehr an seine Gewährleistungspflicht, in den entsprechenden Bereichen, gebunden fühlt.

Eine TÜV-Eintragung legalisiert dies nur gegenüber dem Gesetzgeber, zwingt aber nicht den Hersteller in die Gewährleistung zurück. Ein Hersteller kann nur für etwas haftbar gemacht werden, was er auch geliefert hat. Für technische Modifikationen und daraus resultierenden Konsequenzen, wie Geräuschentwicklung, Komforteinbußen bis hin zu nicht einwandfrei funktionierenden Assistenzsystemen und erhöhtem Verschleiß, ist derjenige verantwortlich, welcher die Modifikationen vorgenommen hat, oder hat vornehmen lassen.

Die einfachste und langfristig preiswerteste Lösung ist der Originalreifen.

Sollten zu diesem Thema spezielle Fragen bestehen, so stehe ich gern zur Verfügung.

Mit besten Grüssen
Superman
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Solmanis
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Re: Sind Reifen nur rund und schwarz?

Beitrag von Solmanis »

Hallo Superman,

vielen Dank für deine sehr informativen udn hochwertigen Beiträge.
Bezüglich der Reifen noch eine Frage: Für meinen V12 Vantage gibts es eine Herstellerbescheinigung von Michelin für folgende Reifen:
Vorderachse: 255/35ZR 19 (96Y) XL Pilot Super Sport
Hinterachse: 295/30ZR 19 (100Y) XL Pilot Super Sport
Gibt es hierfür Erfahrungen, verbessert sich z.B. das Fahren bei nasser Fahrbahn oder niedrigen Temperaturen?
Oder sollte man tatsächlich besser, wie du schon geschrieben hast, den vom Hersteller voresehenen Originalreifen verwenden?

Gruß,
Wolfgang
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Superman
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Re: Sind Reifen nur rund und schwarz?

Beitrag von Superman »

Hallo Wolfgang,

wenn Du die Herstellerbescheinigung von Michelin ließt, gehe ich davon aus, dass Michelin bescheinigt alle geforderten Eckdaten (Dimensionen, Geschwindigkeitsindex, Last Index, etc.) von Aston Martin zu erfüllen. Dies bedeutet, dass Du, nach geltendem EU Recht, diese Reifen montieren darfst, ohne dass die Betriebserlaubnis erlischt.

Da Michelin, genau wie Pirelli, auf exzellente Trockeneigenschaften der zur Diskussion stehenden Reifen hinweißt, folgt allgemein daraus, dass dieses Ergebnis zu Lasten der Nässeeigenschaften erzielt wurde. Welcher von beiden die besseren Nässeeigenschaften bietet kann ich nicht beurteilen, da ich den Michelin nie gefahren habe. Meines Wissens hat aber Aston Martin seit einiger Zeit einen zweiten Pirelli Reifen für den V12 freigegeben. Dieser soll über bessere Allroundeigenschaften verfügen. Hierzu aber bitte einen autorisierten Händler befragen.

Bezüglich der Temperatureinschränkungen ist anzumerken, dass sich diese ausschließlich aus dem Geschwindigkeitsindex für Sommerreifen ergeben. Dies bedeutet, dass alle ZR bzw. Y kodierten Sommerreifen, unterhalb +7º C, nicht mehr in der Lage sind ihre Betriebstemperatur und damit den optimalen Grip zu erreichen. Daraus ergibt sich konsequenter Weise, dass zum Ganzjahresbetrieb eines Aston Martin grundsätzlich ein Satz Winterräder gehört.

Schlussfolgerung: Die Eigenschaften des Pirelli sind bekannt und vom Hersteller gewünscht. Nach Beanstandungen seitens der Kundschaft ist nun ein zweiter Reifen alternativ empfohlen. Bei diesem gehe ich davon aus, dass er mehr in Richtung Allroundeigenschaften entwickelt wurde, ohne die grundsätzlich sehr guten Trockeneigenschaften zu stark einzuschränken.

Der Michelin ist ebenfalls ein hervorragender Reifen, aber auf einem Aston Martin für mich ein weißes Blatt Papier.

Ich hoffe Dir hiermit eine kleine Entscheidungshilfe gegeben zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Superman
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Solmanis
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Re: Sind Reifen nur rund und schwarz?

Beitrag von Solmanis »

Hallo Superman,

vielen Dank für die wieder einmal sehr guten Informationen.
Ich bin grundsätzlich zufrieden mit den Pirelli-Reifen auf dem Aston Martin, kenne aber auch den Michelin von meinen Porsche-Fahrzeugen und die sind nicht so kritisch bei Nässe. Da ich aber sowieso nur von März bis Oktober mit dem AM fahre, besteht kein zwingender Handlungsbedarf. Wenn's wirklich mal stark regnet, stelle ich mich eben darauf ein und fahre entsprechend.
Bezüglich des alternativen Pirelli-Reifens werde ich mich bei meinem AM-Fachbetrieb erkundigen.

Vielen Dank und Gruß,
Wolfgang
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Superman
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Re: Sind Reifen nur rund und schwarz?

Beitrag von Superman »

Hallo Wolfgang,

bei dem von mir erwähnten Alternativreifen für den Vantage V12 handelt es sich um den Pirelli P Zero. Dimensionen sind dieselben wie für den P Zero Corsa.

Der Pirelli P Zero war auch der Standardreifen des Aston Martin DBS.

Mit freundlichen Grüssen
Superman
Goldfinger
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Re: Sind Reifen nur rund und schwarz?

Beitrag von Goldfinger »

Hallo Superman,

Kompliment!! Das ist mal eine sehr ausführlich, sehr informative und nachvollziehbare Erklärung zum Thema; der richtige Reifen!
Wie ich schon in dem Vorstellungsthread geschrieben habe, kenne ich den Pirelli PZero von anderen Fabrikaten und bin da auch sehr zufrieden. Den Michelin Pilot Super Sport haben wir in der 19" Dimension auf dem Wagen meiner Frau (TTRS Plus Roadster) und auch da gibt es keine deutlichen Schwächen.

Allerdings hast du ja auch beschrieben, dass es bei den von AM freigegebenen Reifen von den Reifen-Herstellern wegen der AM Anforderungen durchaus Unterschiede gibt. Insofern weiß ich nicht so recht einzuschätzen, was meine bisherigen Erfahrungen mit Michelin und Pirelli bei AM, speziell beim DBS Wert sind.

Ich nehme an, der AM Händler kann mir da auch eine Empfehlung für einen sportlichen Sommerreifen geben, der auch über gute Nässe-Eigenschaften usw. verfügt.

So wie ich die bisherigen Beiträge verstanden habe, ist der Pirelli PZero der Standard-Reifen für den DBS mit den idealen Allrounder - Eigenschaften?!

LG Chris
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Superman
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Re: Sind Reifen nur rund und schwarz?

Beitrag von Superman »

Hallo Christian,

die von Aston Martin freigegebenen Pirelli Reifen für den DBS, mit Beschreibung des Reifenherstellers, findest Du hier

http://www.pirelli.com/tyre/de/de/car/g ... nt/fitment .

Bezüglich R oder ZR sei angemerkt, dass das Z früher den für den Reifen freigegebenen Geschwindigkeitsbereich angab. SR bis 180 km/h, HR bis 210 km/h usw. Heute sind Last- und Speed Index zusammengefasst und stehen am Ende der Typbezeichnung wie z.B. 245/35 ZR20 (91Y) FRONT. Bei Pirelli werden, wie Du sehen kannst, auf der Homepage beim P Zero sogar noch beide Varianten genutzt.

Ein seriöser Aston Martin Händler wird Dir immer den vom Fahrzeughersteller empfohlenen Reifen empfehlen, wozu auch ich nur raten kann und richtig erkannt, der Allrounder ist der P Zero.

Mit besten Grüssen
Superman
Goldfinger
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Re: Sind Reifen nur rund und schwarz?

Beitrag von Goldfinger »

Hallo Superman,

ich danke dir! Mir wurde auch gestern bei AM Kronberg der Pirelli PZero empfohlen.

Bei den Felgen bin ich mir noch nicht sicher, werde aber definitiv eine der Auswahlen von AM nehmen.

LG Chris
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